Der Mann mit den flinken Fingern

Die Software-Abteilung von Presscontrol hat einen guten Ruf: Schnell, zuverlässig und clever. Sehr erfahren in SPS, bei Visualisierungen, Regelungs- und Antriebstechnik. Teamleiter Florian Bischler hat sich von uns über die Schulter schauen lassen

Datum: 18/08/2015 3:53pm
Kategorien: Presscontrol, Software-Abteilung
Der Mann mit den flinken Fingern

Der Job hat ein bisschen was von Sherlock Holmes. Ohne Bösewichte, aber eben mit viel logischem Denken. Denn Software-Ingenieur Florian Bischler und sein Team von Presscontrol programmieren Maschinen. Steuerungssoftware für Pressenlinien und Abläufe für komplexe Anlagen. „Neue Maschinen sind vergleichsweise einfach“, sagt Bischler. „In der Regel ist alles gut dokumentiert, die Zusammenarbeit mit den Hardware-Experten ist klar geregelt und wir wissen, welcher Sensor was machen soll. Aber wenn es um alte Maschinen geht, kann es auch knifflig werden.“

So wie an jenem dramatischen Dienstag vor ein paar Wochen. Ein Schleusentor am Neckar hatte den Dienst quittiert und ließ sich nicht mehr bewegen. Ziemlich blöde Situation für den Binnenschiffer im Schleusenbecken und natürlich auch für den Schleusenwärter oben an der Steuerung. Aber mit Notfällen kennt sich Florian Bischler ja aus – in seiner Freizeit engagiert er sich fürs Technische Hilfswerk und hilft als Gruppenführer des Ortsverbands Biberach, wenn nach einem Orkan, einem Hochwasser oder anderen Katastrophen schweres Gerät gebraucht wird.

Der Schleuse jedoch kann man mit einem Bagger nicht helfen. Stattdessen braucht es Software-Experten, die das komplexe Steuerungsprogramm der Schleuse lesen können und anhand der Fehlerbeschreibung möglichst schnell herausfinden, welcher Sensor denn nun streikt. „Der Wegsensor war defekt“, sagt Bischler. „Das ist ein Bauteil, das vielleicht 50 Euro kostet, aber ohne das die ganze Schleuse eben stillsteht.“ In dieser Situation könnte man warten, bis der Wegsensor ausgetauscht wird – aber erklären Sie das mal dem Binnenschiffer auf seiner Schute. „Wir haben dann geprüft, ob man den Sensor nicht quasi ausblenden kann, um in einen Notbetrieb zu gehen, bis das Bauteil am nächsten Tag ausgetauscht wird. Die mechanischen und hydraulischen Bauteile waren ja alle in Ordnung – das Programm wartete nur vergeblich auf das Signal dieses einen Sensors“, erklärt Bischler. „Das klingt theoretisch einfach, aber man muss natürlich schon sicher sein, dass man die richtige Codezeile überspringt.“ Um es an dieser Stelle abzukürzen: Die digitale Reparatur mit Notbetrieb und ein bisschen Handsteuerung hat funktioniert. Der Binnenschiffer war wieder frei und am nächsten Tag waren die Hardware-Profis von Presscontrol vor Ort, um den defekten Wegsensor auszutauschen.
 
So spannend die Geschichte mit der Schleuse ist – normalerweise geht es bei Florian Bischler etwas weniger dramatisch zu. Ein großer Teil des Brot- und Butter-Geschäfts sind Modernisierungen. „In einigen Branchen laufen noch knapp 30 Prozent der Maschinen und Anlagen mit der alten S5-Steuerung von Siemens“, sagt Bischler.  Grundsätzlich ist das kein Problem – nur gibt es für S5-Steuerungen von Siemens immer weniger Ersatzteile und werkseitig auch keinen Service mehr. „Man kann sich das vorstellen, als hätte man noch Windows 95 auf dem PC. Damit kann man sich eine Zeit lang arrangieren – aber neue Programme oder Schnittstellen zu anderen Anwendungen laufen eben nicht.“ Also bringen Bischler und seine elf Mitarbeiter die Systeme in die Neuzeit. „Wir überspringen den S7-Standard und gehen in der Regel gleich ins TIA-Portal“, sagt Bischler. „Damit dürfte die Anlage gut 20 Jahre laufen können.“

TIA steht für Totally Integrated Automation Portal und ist derzeit weltweit der Maßstab für Steuerungssoftware. „Siemens garantiert der Industrie mit TIA ein hohes Maß an Investitionssicherheit“, sagt Bischler. „Für TIA wird man sicher auch im Jahr 2030 noch problemlos Ersatzteile oder Software-Aktualisierungen bekommen.“
TIA steht für einen Paradigmenwechsel in der verarbeitenden Industrie. Weg von den Insellösungen, bei der jede Maschine für sich betrachtet wird und hin zu einem System, bei dem alles miteinander vernetzt ist. „Sie können Schwingungssensoren in eine Maschine einbauen und wissen früh, wenn ein Lager ans Ende seiner Lebenszeit kommt. Das wird detektiert, im Meisterbüro gemeldet und man kann ein Ersatzteil bestellen, bevor das Lager endgültig den Geist aufgibt. Insofern sorgt TIA durchaus für eine bessere Maschinenverfügbarkeit“, sagt Bischler.

Überhaupt werden Maschinen intelligenter. „Kennen Sie die Vision vom Kühlschrank, der mit dem Internet vernetzt ist und automatisch Bier bestellt, wenn die vorletzte Flasche herausgenommen wird? Im Haushalt ist das immer noch Zukunftsmusik – aber in der Industrie ist Condition Monitoring weit verbreitet“, sagt Bischler. „Bevor beispielsweise Schmiermittel ausgeht, bestellt sich die Maschine einfach Nachschub. Fürs Einfüllen braucht die Anlage noch menschliche Hilfe – aber der Rest ist automatisiert.“

So intelligent die Maschinen am Ende auch agieren mögen – „im Prinzip machen wir nichts anderes, als ein paar hundert Sensoren und Aktoren in der richtigen Reihenfolge mitein­ander zu verbinden“, sagt Bischler. „In der Software geht es meistens um statische Bedingungen, also um wenn und dann.“ Wenn Sensor 100.34 sich meldet, dann darf sich Aktor 100.68 so lange bewegen, bis Sensor 100.35 anschlägt. Klingt jetzt nicht so schwierig. „Nein“, sagt Bischler „Deswegen steht die Programmierung eines kleinen Biegezylinders auch binnen eines Tages. Aber eine komplexe Pressenlinie umfasst mehrere hundert Ein- und Ausgänge. Und dabei ist der Ablauf ebenso wichtig wie das Fehlermanagement. Wann bleibt die Maschine stehen, wann warnt sie nur? Und wie stellt man sicher, dass die Maschine ihrem Bediener mitteilt, was ihr fehlt?“ Hinzu kommt: Die Software-Experten von Presscontrol schreiben nicht nur Steuerungssoftware, sie kümmern sich auch um Visualisierungen und die Einbindung der Antriebstechnik (von Sterndreieck über Frequenzumrichter bis hin zu komplexen Servo-Antriebssteuerungen), um Regelungstechnik (Stichwort: Industrie 4.0) und natürlich um die Inbetriebnahme. Und das alles mit zwölf Mann? „Wir suchen weitere Mitarbeiter“, sagt Bischler. „Und wir arbeiten sehr effizient. Wir haben Teilfunktionen als Standards definiert und bauen Software quasi modular auf. Das hat zwei Vorteile: Die Teilfunktionen sind alle von vornherein überprüft und funktionieren sicher – und die gesamte Programmierung geht viel schneller voran.“

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